TEW 2020:Review – Zwei Schritte nach vorne, ein Schritt zurück?

Als der englische Spiele-Entwickler Adam Ryland im Jahr 1995 den Wrestling Management-Simulator „Extreme Warfare“ für den PC veröffentlichte, konnte wohl kaum einer erahnen, dass auch 25 Jahre später noch an Nachfolgern für dieses Spiels gearbeitet wird. Doch im Laufe der Zeit entwickelte sich ein wahrer Kult um die EW-Reihe, die im Jahr 2003 zu „Total Extreme Wrestling“ (kurz TEW) umbenannt wurde und mittlerweile um dutzende neue Spiele erweitert wurde. Der neueste Ableger der Reihe, Total Extreme Wrestling 2020, ist seit dem 15. Mai erhältlich und der Entwickler verspricht mehr als 250 neue Features und Verbesserungen im Vergleich zum 2016 erschienenen Vorgänger.

Ob TEW 2020 den hohen Erwartungen gerecht wird und was ihr vor dem Kauf des Spiels sonst noch beachten solltet, erfahrt ihr hier in unserem Review!

Vorwort

Da es sicher einige Leser gibt, denen der Begriff „Total Extreme Wrestling“ nicht viel bzw. gar nichts sagt, möchte ich vorab kurz erklären, worum es in diesem Spiel grundsätzlich geht.

Ähnlich wie der Football Manager von SEGA ist Total Extreme Wrestling ein Simulator, in dem man hauptsächlich hinter den Kulissen des Geschäfts arbeitet. So übernimmt man in TEW eine Wrestling-Company und versucht, diese bestmöglich zu leiten und wachsen zu lassen. Oder erstmal vor der Pleite zu retten – je nachdem, in welcher Verfassung sich die ausgewählte Promotion anfangs befindet.

Und bei der Leitung der Company werden einem unglaublich viele Freiheiten gewährt. Angefangen vom Booken der Shows über die Zusammenstellung des Rosters bis hin zum Verhandeln von TV-Deals ist es jedem Spieler selbst überlassen, was er aus seiner Promotion macht.

Ebenfalls erwähnenswert ist, dass das Spiel in seiner Ursprungsform keine realen Wrestler und Companies umfasst. Die Standard Datenbank nennt sich „CornellVerse“ und bietet eine fiktive Spielwelt, die tausende erfundene Charaktere und Promotions umfasst und besonders bei langjährigen Fans der Serie äußerst beliebt ist.


Nicky Champion ist einer der größten Stars in der fiktiven CornellVerse

Doch für all jene, die mit C-Verse Stars wie Tommy Cornell oder Rich Money nichts anfangen können gibt es einen Editor, mit dem die ganze Spielwelt nach Belieben angepasst werden kann. Und dank der aktiven Modding-Community erscheinen laufend Real World-Mods aus den verschiedensten Zeitepochen der Wrestlinggeschichte (aktuell, Attitude Era, Golden Era, etc.).

Ebenfalls anzumerken ist, dass Total Extreme Wrestling-Spiele grundsätzlich nur über den hauseigenen Webstore des Publishers Grey Dog Software zu kaufen sind. Ein Release auf Steam ist – wenn überhaupt – erst mehrere Jahre nach der ursprünglichen Veröffentlichung zu erwarten.

User Interface

Nachdem wir uns mit dem Grundprinzip des Spiels auseinandergesetzt haben, möchte ich mich nun explizit zu den Neuerungen in TEW 2020 äußern. Und in diesem Zusammenhang müssen wir fast zwangsläufig mit dem User Interface (UI) beginnen.

Als Mitte April die lang erwartete Demo-Version erschienen ist, war der Aufschrei über das neue UI groß. Zwar wurde die Auflösung des Screens auf 1366×768 erhöht, doch sämtliche Menüs und Listen waren dermaßen unübersichtlich und schwer zu lesen, dass das Forum des Publishers schnell voll von Beschwerden war. Aus diesem Anlass reagierte der Entwickler aber und hat es mittlerweile mit mehreren Patches geschafft, die meisten Wünsche der Community zu erfüllen. Die Farben wurden angepasst, die Struktur im Hauptmenü ist viel übersichtlicher und auch das Aussehen zahlreicher anderer Menüs und Listen wurde verbessert.


Das neue User Interface. Hier zu sehen ist der Office Screen, von dem aus alles verwaltet wird

Die Umstellung von TEW 2016 auf TEW 2020 erfordert wegen dem neuen User Interface zwar einiges an Eingewöhnungszeit, doch auf lange Sicht ist es durchaus eine Steigerung im Vergleich zum Vorgänger. Positiv hervorzuheben ist auch hier, dass das Spielerlebnis durch verschiedene Skins aus der Community nochmal deutlich aufgebessert werden kann.

Booking/Products

Die meiste Zeit im Spiel verbringt man wohl im Booking Screen. Man bookt verschiedene Matches und Angles, versucht neue Stars aufzubauen und führt Storylines weiter. Und auch hier gibt es einige große Neuerungen/Änderungen, die ich ansprechen möchte:

  • On-The-Fly-Booking: In TEW 2020 ist es erstmals möglich, nach dem Start einer Show nochmals in den Booking-Screen zurückzukehren und „kurzfristig“ etwas an den kommenden Segmenten zu ändern. Dies ist nicht nur sehr realistisch, sondern erschien mir bisher bereits mehrmals als sehr hilfreich.
  • Pre-Booking Bonus: Ein Feature, dass im Vorgänger unverständlicherweise entfernt wurde, kehrt nun zurück und hat einige Verbesserungen vorzuweisen. Bewirbt man große Matches und Angles bereits im Vornhinein, kann man mit einer größeren Zuschauerzahl rechnen. Lässt man die Fans aber vor dem Event im Dunkeln tappen, muss man sich auf weniger Zuschauer einstellen. Dieses Feature ist übrigens optional. Es kann eingestellt werden, ob und für welche Shows man die Pre-Booking Boni nutzen möchte.
  • Pushes/Perception: In der Vergangenheit war es so, dass man einstellen konnte, in welcher Position man einen Worker sieht (Main Eventer, Midcard, Opener, …). Dieses System wurde nun komplett über den Haufen geworfen und durch das neue Perception System ersetzt. Dazu wird die Popularität und das aktuelle Momentum in Relation mit der Größe der Company betrachtet und so bestimmt, wie der Wrestler in den Augen der Fans angesehen wird.
  • Products: In vergangenen Spielen der Reihe war es stets möglich, das Produkt seiner Company ohne irgendwelche Beschränkungen einzustellen. Wie wichtig ist mir das Mainstream-Interesse an meiner Promotion? Will ich gefährliche Spots sehen? Sind „T&A“ Angles erwünscht? Sollen meine Matches mehr nach In-Ring Perfomance oder aber nach Popularität beurteilt werden? All dies und noch viel mehr konnte man Punkt für Punkt selbst festlegen. Doch damit ist in Total Extreme Wrestling 2020 größtenteils Schluss! Im neusten Teil der TEW-Serie muss man sich mit fix vorgegebenen Produkten zufriedengeben, die man nur geringfügig adaptieren kann (siehe Vergleich unten). Es gibt zwar eine ganze Reihe an Produkten, die viele mögliche Szenarien abdecken, trotzdem macht das Spiel hier aber meiner Ansicht nach einen gewaltigen Schritt in die falsche Richtung.


Hier ein Vergleich der Product-Settings. Diese waren in TEW 2016 (rechts) noch viel detaillierter als in TEW 2020 (links)

  • Weiteres: Einhergehend mit dem neuen UI wurde auch der Booking Screen neugestaltet und bietet nun mehr Inhalte auf einem Bildschirm. Damit erspart man sich durchaus einige lästige Klicks und findet sich nach kurzer Eingewöhnungszeit auch gut zurecht. Ebenfalls verbessert wurde das Booking der computergesteuerten Promotions. Dieses wirkt nun deutlich realistischer als in den vergangenen Ablegern.

Weitere Neuerungen

Dass das Wrestling-Business weit mehr umfasst als nur das Booken von Shows ist kein Geheimnis. Und so ist es auch kein Wunder, dass auch andere Aspekte des Spiels verbessert und neugestaltet wurden:

  • Child Companies: Das gesamte System der „Developmental Companies” wurde erneuert. So ist es nun zum ersten Mal möglich, als Child Company (Entwicklungsliga; bestes Beispiel aus dem realen Leben ist NXT) zu spielen. Dort braucht man sich zwar nicht großartig um die Finanzen kümmern, man muss aber stets damit rechnen, die besten Wrestler an die Mutter-Company zu verlieren, bei der die Worker unter Vertrag stehen. Dafür erhält man einige Wochen vorher eine „Call Up-Warnung“, um sie vernünftig aus den Shows schreiben zu können. Und auch als Spieler der Parent-Company hat man nun mehr Möglichkeiten, um mit der Entwicklungsliga zu arbeiten. Zudem wurde das Dojo/Performance-Center System überarbeitet und bietet nun viel mehr Features als im Vorgänger.
  • Broadcaster: Auch in TEW 2020 wurden die Broadcaster (also TV-Sender, PPV-Anbieter, Internet Streaming-Dienste, usw.) wieder grundlegend überarbeitet und sind nun um einiges detaillierter als früher. Es gibt mehr Möglichkeiten beim Aushandeln von Deals, die Ratings spielen eine deutlich präsentere Rolle und auch hauseigene Streaming-Dienste (Sprichwort WWE Network) haben eine grundlegende Sanierung erhalten.
  • Tournaments: Ebenfalls neu ist die Möglichkeit, verschiedene Turniere im KO- oder Gruppenmodus auszutragen. Was bisher nur mit externen Programmen möglich war, kann jetzt direkt im Spiel gemacht werden. Eine kleine, aber durchaus sinnvolle Neuerung.
  • ALLE Neuerungen im Detail könnt ihr hier nachlesen: TEW 2020 Announcement & Developer's Journal


Auch in der realen Welt gut vorstellbar; AEW veranstaltet ein Tag Team-Turnier

  • Vertragsverhandlungen: Bisher gab es zwei Arten von Verträgen – Written und Handshake. Davon abgesehen hatte man bis auf die Laufzeit und die Höhe der Gage nicht viele Handlungsmöglichkeiten. Doch das hat sich in TEW 2020 geändert. Die Vertragsarten lauten nun Written, Exclusive Written, Handshake und Exclusive Handshake. Ebenfalls gibt es noch die Möglichkeit der „Iron Claw“ – ist ein Vertrag „iron clad“, kann er vom Wrestler nicht vorzeitig beendet werden. Dadurch ist es nun möglich, Verträge viel individueller zu gestalten und ist nicht mehr an fixe Vorgaben gebunden, wie es in der Vergangenheit der Fall war.
  • Standard Datenbank: Wie gewohnt handelt es sich auch in TEW 2020 wieder um die CornellVerse, eine von Adam Ryland erfundene Spielwelt mit mehr als 30 Companies und über 2000 Workern. Diese Spielwelt hat sich seit 2016 natürlich weiterentwickelt und stellt den Spieler nun vor neue Herausforderungen.

Editor/Mods

Im Editor hat sich im Vergleich zu TEW 2016 bis auf ein paar kleine Optimierungen nicht allzu viel verändert. Es ist nach wie vor möglich, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen und so ziemlich alles in der Datenbank nach den eigenen Wünschen anzupassen.


Bereits jetzt sind einige gute RW-Mods verfügbar

Und aufgrund der großen Modding Community findet sicher jeder, der sich nicht mit der Standard-Datenbank anfreunden kann, einen passenden Mod. Bereits eine Woche nach Release sind schon mehrere Real World Mods aus verschiedenen Jahrzehnten verfügbar.

Schlusswort

Selten habe ich mich so schwergetan, ein Spiel objektiv zu bewerten wie in diesem Fall. Total Extreme Wrestling 2020 ist ein gutes Spiel, das viele Fans für die nächsten Jahre berechtigterweise in seinen Bann ziehen wird. Die meisten der insgesamt 278 neuen Features und Änderungen verbessern das Spielerlebnis in vielen Aspekten und rechtfertigen den Kauf auch gewissermaßen. Doch auf der anderen Seite wurde dem Spiel mit der Änderung bei den Produkten ein erheblicher Teil der Freiheit genommen, die mir immer so gut an den TEW-Spielen gefallen hat.

Jeder, der sich für TEW 2020 interessiert, sollte vorab die kostenlose Demo-Version austesten und dann für sich selbst entscheiden, ob ihm die Vollversion $ 34,95 (ca. € 32,30) wert ist.
Für Neueinsteiger, die bisher noch gar keine Erfahrung mit Total Extreme Wrestling haben, kann ich TEW 2005 wärmstens empfehlen. Das Spiel ist kostenfrei herunterladbar und bietet trotz seines beträchtlichen Alters immer noch einen guten Einblick in die Welt der Wrestling Management-Simulatoren.

TEW 2020 punktet mit unzähligen kleinen Verbesserungen, die das Spielerlebnis in vielen Aspekten verbessern und durchaus einen Kauf rechtfertigen. Andererseits ist man mit der Vereinfachung der Produkte in eine total falsche Richtung gegangen und nimmt dem Spiel einiges an Freiheit, die sicher von vielen Fans vermisst wird. Zusätzlich schrecken der Preis von ca. 33 Euro sowie die fehlende deutsche Übersetzung sicher auch einige potentielle Käufer ab.
Gameplay
8
Präsentation
6
Umfang
8
7.5
  • Mehr als 250 neue Features und Änderungen
  • Langfristiger Spielspaß
  • Unendliche Editor-Möglichkeiten
  • Neues, einsteigerfreundlicheres User Interface
  • Sehr aktive Modding-Community
  • Extreme Detailtiefe in allen Bereichen des Spiels
  • Vereinfachung der Product-Settings (nimmt viele Freiheiten)
  • Keine deutsche Übersetzung
  • Nach wie vor kein Vollbildmodus verfügbar
  • Neues User Interface
19. Mai 2020 - 23:04 Uhr | Marco E-Mail